Zu oft sagen wir «Ja», um den Frieden wahren. Doch damit ist am Ende niemandem geholfen.
Ich mag keine Nein-Sager; Menschen, die von vornherein abwinken, die Neues ablehnen, aus Angst vor Veränderung, die nichts wagen und hoffen, mit einem «Nein» bleibe alles beim Alten, was nicht selten ein Trugschluss ist. Trotzdem ist meine letzte Kolumne an dieser Stelle ein Plädoyer dafür, «Nein» zu sagen.
Ich selbst habe mit dem Nein-Sagen hin und wieder meine liebe Mühe. Damit stehe ich nicht allein da; Umfragen in Deutschland zeigen, dass es fast jedem Zweiten schwerfällt, Kindern, Eltern oder Partnern einen Wunsch abzuschlagen. Etwa jeder Dritte hat Schwierigkeiten, sich gegenüber dem Chef oder Arbeitskollegen oder Freunden abzugrenzen. Ich vermute, dass es uns Frauen sogar noch etwas schwerer fällt als Männern, «Nein» zu sagen. Wir sagen zu oft «Ja», um den Frieden zu wahren. Wir sagen zu selten «Nein», weil wir uns nicht trauen, weil wir es mit niemandem verderben wollen, weil wir es allen recht machen wollen.
Ein Freund bat mich, sein Manuskript zu lesen und ein Urteil dazu abzugeben – ich sagte «Ja», obwohl mir die Arbeit an meinen eigenen Texten gerade über den Kopf wuchs. Ein Verein fragte mich an, für ein bescheidenes Honorar ein Referat zu halten – ich sagte «Ja» und ärgerte mich über mich selbst, weil der Aufwand den Ertrag bei weitem überstieg. Meine Mutter bat um Hilfe, weil sie ihren Keller aufräumen wollte – ich sagte «Ja», weil ich nicht «Nein» sagen konnte. Dabei wäre ich an diesem Sonntag lieber wandern gegangen.
Weil mich meine widerwilligen Zustimmungen nicht nur in Zeit- und Geldnot brachten, sondern mich auch unzufrieden machten, bringe ich mir jetzt das Nein-Sagen bei. Dabei stellt sich heraus, dass es mit dem Nein-Sagen so ist wie mit vielen anderen Dingen im Leben: Wenn man einmal damit anfängt, merkt man, dass es viel einfacher ist als gedacht. Oft zeigt das Gegenüber Verständnis, wenn ich mein «Nein» sorgfältig begründe. Es tut auch gar nicht weh, wenn man es nicht mehr allen recht machen kann. Im Gegenteil: Es ist befreiend. Ich gewinne nicht nur Zeit – ich fühle mich auch besser, weil ich ehrlich zu mir selber und zu den anderen bin.