Ein Freund von mir würde gerne unbezahlten Urlaub nehmen. Doch es steht ein grosses «Aber» im Weg.
Ich habe einen Freund, der in der Tourismusbranche arbeitet. Als CEO bezieht er einen satten Lohn, und ich glaube, er ist ein guter Chef; er rät seinen Mitarbeitern, hin und wieder unbezahlten Urlaub zu nehmen, denn Reisen ist für ihn Weiterbildung. Auch mein Freund hätte Urlaub nötig. Er wirkt ausgebrannt, ist ständig krank. Er sagt, er würde gerne unbezahlten Urlaub nehmen. Er sagt, es wäre problemlos möglich. Und dann sagt er: «Aber…» Denn er beginnt zu rechnen: Drei Monate Lohnverzicht bedeutet in seinem Fall, eine grosse Summe Geld nicht einzunehmen. Dass mein Freund so viel verdient, dass er locker nur jeden zweiten Monat arbeiten müsste, ist ihm zwar bewusst, doch es nützt nichts. Das «Aber» versperrt ihm die Sicht auf das, was er mit einem unbezahlten Urlaub gewinnen könnte. Er sieht einzig seinen Einkommensverlust. Dabei kann man gar nicht verlieren, was man noch nicht verdient hat.
Ich hatte 23 Jahre lang einen festen Lohn. 299 Monatslöhne. Seit ich kein geregeltes Einkommen mehr habe, versuche ich einfach so viel zu verdienen, wie ich brauche. Das hat zur Folge, dass ich anders über Geld denke als zuvor: Es hat jetzt stets einen konkreten Gegenwert. Während früher jeden Monat die Lohnsumme auf meinem Konto aufploppte und ich mich sorglos daran bediente, weiss ich heute genau, wofür ich gerade arbeite: der Vorschuss für meinen Krimi deckt die Miete für mein WG-Zimmer in Zürich und die Versicherungen. Meine letzte Gerichtsreportage brachte mir 1500 Franken ein: damit bezahlte ich einen Flug nach Sansibar (700 Franken), meine hiesige Monatsmiete (290 Franken), der Rest fliesst in die AHV und die Pensionskasse. Das Geld, das ich mit dieser Kolumne verdiene, wird mich hier eine Zeitlang ernähren. Ich schreibe sie in einem Café mit Blick auf das quecksilberblaue Meer. Die Sonne verglüht gerade am Horizont. Vielleicht gibt es einfach zu viele «Abers» in unserem Denken und das Geld nimmt zu viel Platz ein in unseren Köpfen. Ich werde meinem Freund heute noch eine Postkarte schreiben.